Die Macht und Verantwortung von Bewertungen: Ein persönlicher Einblick

Die Macht und Verantwortung von Bewertungen:
Ein persönlicher Einblick.

Liebe Oma Hilde,

endlich habe ich Zeit mich wieder bei Dir zu melden. Ich hoffe, Dir geht es gut und mein heutiger Brief zaubert dir ein Lächeln ins Gesicht. Es ist schon eine Weile her, seitdem wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, und ich dachte, es wäre schön, mit Dir ein paar Gedanken zu teilen, die mich gerade beschäftigen. Es geht um die Macht der Bewertungen.

Sommerliche Workation auf Kreta

Erst einmal möchte ich Dir von unserer spontanen Entscheidung erzählen, doch noch diesen Sommer ein paar Tage Workation auf Kreta einzuschieben. Das alles war sehr spontan, da wir einfach einmal raus mussten, um für den Herbst neue Konzepte für unser Gut Bielenberg zu entwickeln.

Da alles sehr kurzfristig war, konnten wir nicht auf uns bereits bekannte Unterkünfte zurückgreifen und ich habe mich auch einmal vom Google Bewertungssystem leiten lassen. Wir haben nun schon ein paar Tage in der Nähe von Rethymno in den Bergen verbracht, in einer kleinen Villa, die ich vorher im Internet entdeckt hatte. Die Online-Bewertungen waren wirklich beeindruckend und haben meine Neugier geweckt.

Unser malerisches Refugium in den Bergen

Die Villa ist wirklich sehr schön. Die Zimmer sind großzügig und komfortabel und die Kinder können draußen gut den Pool nutzen. Trotz der Abgeschiedenheit kann ich arbeiten, da wir einen guten Netzanschluss haben. Wir sind wirklich nur umgeben von Bergen und unendlich vielen Ziegen, die man mal am Klang der Glöckchen immer wieder hört. Es fühlte sich fast so an, als wären wir in einer anderen Welt, fernab vom Alltagstrubel. Also absolut genau richtig für uns und mich.

Die zweischneidige Natur von Bewertungen

Aber mich hat das ganze Bewertungssystem auch sehr nachdenklich gemacht. Hier im Gästebuch stehen nicht nur schöne Dinge, sondern es werden auch viele Sachen bemängelt. Und das bringt mich zu dem Punkt, der mich wirklich beschäftigt: Die Macht der Bewertungen. Die positiven Bewertungen von anderen Gästen hatten uns dazu ermutigt, das Haus zu buchen und es hat sich als genau die richtige Entscheidung herausgestellt. Für uns zu dieser Zeit. Aber es waren auch Gäste hier zu einer falschen Zeit, wo es kalt war und der Pool nicht nutzbar war. Diese Meinung kann ich einschätzen. Denn das ist es ja letztendlich eine Bewertung – eine Meinung,

Und genau das ist die Kehrseite der Medaille. Auch das erfahren wir immer wieder auf Gut Bielenberg und es trifft uns sehr oft mitten ins Herz. Dazu erzähle ich Dir später mehr.

Ich habe mich also ein wenig in die Welt der Hotelbewertungen vertieft und festgestellt, dass es leider auch viel Unfairness und falsche Aussagen gibt. Manche Menschen scheinen ihre schlechte Laune oder ihre persönlichen Befindlichkeiten in ihre Bewertungen einfließen zu lassen, und das kann einem wirklich die Freude verderben. Es ist schade zu sehen, wie sich diese Bewertungen auf das Geschäft und das Ansehen eines Ortes auswirken können, ohne dass sie unbedingt der Realität entsprechen.

Bewertungen: Hilfreich oder schädlich?

Daher habe ich mir meine Gedanken zum Thema Bedeutung von Bewertungen in unserer Gesellschaft gemacht. Auf der einen Seite können sie so hilfreich sein, um anderen bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Auf der anderen Seite besteht aber auch die Gefahr von Missbrauch, Fehlinformationen bis hin zu Drohungen seitens Gästen.
Kannst Du Dir das vorstellen? Manchmal macht mich das bei uns sehr traurig und persönlich fassungslos.

Die schwerwiegenden Auswirkungen von Meinungen

Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind, wie wir Bewertungen interpretieren, und immer einen kritischen Blick darauf werfen. Denn letztendlich ist es eine Meinung.

Und es sollte vor allen dem Gast klar sein, was es für einen Konsequenz haben kann für das einzelne Unternehmen, dass gerade seine Bewertung und somit seiner Meinung ausgesetzt ist. Früher wurde Kritik gleich vor Ort geübt und wir konnten Abhilfe schaffen oder einen Lösung für den Gast finden. Manchmal geht es nur um Kleinigkeiten, die aus der Prägung des einzelnen Gastes als störend empfunden werden. So ist es für uns ein Leichtes dem Gast mehr Handtücher oder einen zweiten Zahnputzbecher zur Verfügung zu stellen. Denn letztendlich ist dies für uns ein Handgriff – beim Gast ist das seiner Meinung aber nur eine Bewertung von 6 Punkt aus 10 Wert. Für uns bedeutet dies aber bei einem Durchschnitt von 9.4 Punkten eine neuen durchschnittliche Bewertung von 9.0 Punkten. Wir müssen dann unzählige Bewertungen sammeln, die bei einer 10 liegen, um den Durchschnitt von 9.4 Punkten wieder zu erreichen.

Also frage ich mich, wie wichtig der einzelne Zahnputzbecher ist und warum spreche ich das nicht an. Das Servicepersonal hat den Gast dieser Bewertung über 14 Tage täglich begleitet.

Die veränderte Dynamik von Bewertungen

Somit sehen Bewertungen heute ganz anders aus. Es wird im persönlichen Gespräche mit dem Gast mitgeteilt, wie zufrieden sie sind und das alles in bester Ordnung ist und dann erhältst Du eine Bewertung, die Dein Unternehmen weit nach unten zieht. In anonymisierter Form ohne in das Gesicht des anderen zu sehen – dem Dienstleister, der wenig Kollegen hat und wirklich alles gibt – teilweise schon über Monate hinweg. Und da geht die Wertschätzung durch eine Bewertung verloren.

Erlebnisse mit herausfordernden Gästen

Ich erzähle Dir einmal ein paar Beispiele der letzten Woche: Da gab es einen Gast, der bei uns die kleinste und günstigste Suite ohne Verpflegung gebucht hatte. Dieser hat uns eine Google Bewertung hinterlassen, die das ganze Team bei uns sehr frustriert hat.
Wie Du weisst sind all unsere Suiten mit Bildern versehen und auch genau beschrieben. Somit kann es nicht sein, dass der Gast sich über nur einen Sessel und nur einen Stuhl in der Suite beschwert. (Für mehr ist in dieser Junior Suite auch kein Platz) Lag es hier nicht eher daran, dass der Gast sich nicht richtig oder nur rudimentär über die gebuchte Suite informiert hat.

Des Weitern kam selbiger Gast spontan morgens zur Stoßzeit zum Frühstück und musste aufgrund fehlender Anmeldung warten. Weiterhin bestand der Gast darauf draußen auf der nicht geöffneten Terrasse zu sitzen. Diese war aufgrund des Wetters nicht gereinigt und das konnte unser lieber Kollege nun auch nicht so kurzfristig neben der Bedienung der anderen wohlgemerkt angemeldeten Frühstücksgäste leisten. Unser Kollege erklärte dies dem Gast. Jedoch entschied der Gast, draußen sitzen zu wollen.
Letztendlich wurde nach Abreise des Gastes in der Bewertung eingehend auf diesen Mängeln herum geritten und unser Haus lediglich mit drei Sternen bewertet. Für mich persönlich ein Schlag ins Gesicht und ein neuer Kollege, der nicht mehr im Frühstücksdienst arbeiten möchte .

Die Auswirkungen auf unser Team

So ist es für uns in der Branche auch immer schwieriger neue Kollegen zu finden und auch in der Hotellerie und Gastronomie zu halten. Denn ehrlich gesagt haben nicht mehr alle „Bock“ auf das schlechte Benehmen und die geringe Wertschätzung einiger Gäste. Klingt jetzt wirklich hart – kann ich aber wirklich immer mehr nachvollziehen.

Einzig bei einem Portal wie AIRBNB haben wir als Gastgeber auch die Möglichkeit einen Gast zu bewerten und unsere Meinung über diesen Gast öffentlich zu machen. Und wenn hier ein Gast, der bei uns buchen möchte bereits im Vorfeld durch Fehlverhalten bei Kollegen aufgefallen ist, nehme ich diesen potenziellen Gast nicht bei uns im Haus auf. Bei Airbnb ist es nämlich so, dass die Gäste durch den persönlichen Erstkontakt viel offener sind und etwas über sich und ich über uns erzähle. Somit entsteht ein freundschaftliches Verhältnis und das Umgehen mit unseren Kollegen und unserem Eigentum ist viel besser und rücksichtsvoller.

Wir werden als Menschen wahrgenommen, die gerne eine Dienstleistung erbringen und sind nicht der Fußabtreter für Streitigkeiten, Unvermögen der Gäste oder schlicht deren inkompetenz.

Unerwartete Kritik

Der Knaller war letzte Woche tatsächlich ein Gast der eine Check out Zeit für “ungewöhnlich” hielt. Ich meine jetzt mal im Ernst, liebe Oma. Da frage ich mich wirklich, ist dieser Gast jemals in seinem Leben wirklich verreist??? Sicherlich werden wir das noch in einer Bewertung finden.

Das Fundament des Vertrauens

Ja ich weiss, das der Vertrauensaufbau in unserer modernen Welt von großer Bedeutung ist. Ob es sich hierbei nun um Hotels, Restaurants, Produkte oder sogar Menschen geht – Vertrauen bildet die Grundlage für unsere Entscheidungen. Wenn wir Vertrauen aufbauen können, können wir uns sicherer fühlen und besser informierte Entscheidungen treffen. Es ist auch absolut ermutigend zu sehen, wie viele Unternehmen und Dienstleister sich nach wie vor so sehr bemühen, dieses Vertrauen durch hervorragenden Service und ehrliche Kommunikation aufzubauen.

Trotzdem wünsche ich mir ein Bewertungssystem für unsere Gäste um manchen auch mal ein Feedback über sich selbst zu geben und zur Reflektion anzuregen.

Unsere unvergesslichen Gästebeschwerden

Wirklich doof ist es, dass wir uns immer nur über diese 2% unserer Gäste ärgern, die einfach den Knall noch nicht gehört haben.

Hier mal unsere TOP Beschwerden:

  1. Schafscheiße auf dem Deich
  2. Es riecht seit gestern nach Jauche
  3. Keine Poolhandtücher
  4. Das Sperrwerk war geschlossen
  5. Es hat geregnet
  6. Wir konnten in der Elbe nicht baden. Da fahren Schiffe.
  7. Ich durfte mein Fahrrad nicht mit in die Suite nehmen
  8. Das Café war voll und ich habe keinen Platz mehr bekommen
  9. Die Bahn hat gestreikt.
  10. Ich konnte die Anreiseunterlagen nicht mehr nachlesen. Mein Handy hatte kein Guthaben mehr.
  11. Es gab nur normale Milch, H-Milch und Hafermilch zum Kaffee.
  12. Ich hatte nur einen Zahnputzbecher
  13. Mein Fahrrad hatte einen Plattfuß
  14. Die Restaurants der Umgebung waren bereits ausgebucht
  15. Ich war auf der anderen Seite der Elbe und es gab keine Brücke
  16. Unsere Kinder waren so laut und ich konnte alles aus dem Dachgeschoss hören
  17. Wir haben keinen Parkplatz gefunden.
  18. Das Miniatur Wunderland wurde umgebaut
  19. Wir standen im Stau vor dem Elbtunnel
  20. Es war jemand in meinem Zimmer zur Reinigung

In diesem Sinne, liebe Oma, möchte ich Dir für Deine unermüdliche Unterstützung und Deine unendliche Liebe und Güte danken. Deine Ratschläge und Geschichten haben mir immer geholfen, meinen eigenen Weg zu finden und kluge Entscheidungen zu treffen. Im Zweifelsfall denke ich an das Kölsche Grundgesetz: Jede Jeck es anders.

Ich freue mich darauf, bald wieder von Dir zu hören!

Pass gut auf dich auf und bis bald!

Dickes Bussi Simone