unsere erste Sturmflut des Jahres hier bei uns an der Elbe

Erste Sturmflut des Jahres hier bei uns an der Elbe

Liebe Oma Hilde!

Letztes Wochenende hatten wir unsere erste Sturmflut des Jahres hier bei uns an der Elbe. Schon Tage vorher gab es Warnungen über erwartet Sturmböen oder Orkanböen. Der Wind hat dann auch nachts ordentlich gepustet und der ein oder andere Ast polterte bei uns gegen die Scheiben. Aber es ist Gott sei Dank nichts zu Bruch gegangen.

Sonntagmorgen brach dann die Sonne durch und die Luft war unheimlich klar! Das war echt toll. Als wäre die Welt ganz reingepustet. Ich habe draußen auf der Bank gesessen und festgestellt, dass der Tee schnell kalt wurde.

Viele Spaziergänger sind nach Bielenberg gekommen und flanierten oben auf der Deichkrone. Das haben wir dann auch später am Nachmittag gemacht. Ich liebe es nach wie vor oben auf dem Deich zu laufen und mich durchpusten zu lassen. Das treibt die Gedanken und macht den Kopf frei.

Wenn ich mir überlege, wie relaxt wir mittlerweile mit solchen Warnungen umgehen, – ist das mühsam vorstellbar.
Wie der Norddeutsche immer so schön sagt: Wind ist erst, wenn das Schaf keine Locken mehr hat… Hast Du das schon mal gehört?

Als wir im Spätsommer 2013 von Köln hier an die Elbe gezogen sind, waren wir im Herbst gleich involviert mit Tief ‘Christian’ und später dann auch mit ‘Xaver’. Nie zuvor habe ich mir die Namen von einem Tief oder einem Hoch gemerkt. Das war im Rheinland nicht wirklich nötigt – oder sagen wir mal so, es hat mich nicht nachhaltig beeindruckt.

Mit Christian war das schon ganz anders – genau 3 Wochen wohnten wir da gerade in Bielenberg in unserem Reetdach Hof hinterm Deich. Ich erinnere mich noch genau, wie der Wind an den Blättern der Bäume zerrte und im gegenüber liegendem Naturschutzgebiet gleich hinterm Deich auch einige große Bäume bedrohlich kippten. Das empfand ich schon als sehr gewaltig. In unserem Haus knarrte es da bereits ordentlich im Gebälk, aber es war oben im Dachstuhl vielmehr ein sonores Rauschen, da der Wind einfach durchströmte. Das war sehr imposant, aber eher positiv spannend. Ja, ich glaube, so hat sich das angefühlt, als ich da oben ganz allein auf unserem Dachboden stand. Ich war beeindruckt. Vielleicht lag es auch daran, dass ich viel zu sehr damit beschäftigt war, unsere letzten Umzugskartons zu sortieren.

Positiv war das wir in dem Herbst gar kein Laub mehr richtig kehren mussten, das nahm der Wind allemal mit. Später habe ich dann gelesen, dass in St. Peter Ording Windböen mit über 170 km/h gemessen wurden. Das war schon ordentlich Wind hinter dem Haus.

Die erwartete Sturmflut fiel damals eher gering aus. Ich war mit den Kindern am Deich und eigentlich war das alle recht interessant, aber undramatisch. Das Wasser der Elbe überflutete lediglich den Nordsee- bzw. Elbradweg. Spannender war für die Kinder und mich zu der Zeit das erste Treibholz zu sammeln und zu überlegen, was man daraus Schönes herstellen konnte.

Mit Tief Xaver dreht sich dann das Blatt und ich empfand Demut und Angst vor den Naturgewalten. Anfang Dezember baute sich der Sturm auf und kam diesmal aus einer anderen Richtung nämlich direkt aus Nordwesten von der offenen Nordsee und traf somit auf die lange Seite unseres Daches. Die parallel zum Haus stehende Eschenreihe wurde Richtung Dach gedrückt und vereinzelt trafen die Äste das Reet von unserer Scheune. Es kratzte und scharrte. Das gesamte Gebälk ächzte und stöhnte und dann knallten die Balken, die sich durch den Druck verbogen und in den Kopfbändern unter Spannung standen.

Ich habe mit den Kindern damals im Wohnzimmer geschlafen, da ich Angst hatte, dass eine der Eschen auf unser Dach stürzen würde. Beide Kinderzimmer gehen nämlich raus in Richtung Westen. Zudem hörte ich Radio und verfolgte die Wetterberichte – es war immer die Rede von dem aktuellen Pegel über dem mittleren Hochwasser. Fieberhaft habe ich damals versucht, im Internet herauszufinden, was denn bitte das mittlere Hochwasser ist! Und vor Allem, was das für mich bedeutet. Natürlich habe ich mich selbst total verunsichert und verrückt gemacht durch die Berichterstattung im Radio und im TV mit den Vergleichen zur Sturmflut von 1976.
Gegen 23 Uhr konnte ich es dann nicht mehr aushalten und rief eine Mutter aus dem Kindergarten an, deren Mann bei der Freiwilligen Feuerwehr in Kollmar war. Schließlich musste sie es ja wissen. Diese hat sich damals köstlich über mich amüsiert.

Konnte mich aber beruhigen und teilte mir mit, dass die Sirene ginge, bevor der Deich bräche. Außerdem sollte ich immer einen gepackten Koffer an der Türe stehen haben, sodass ich mit den Kindern für den Fall der Fälle immer zügig losfahren könne. Ich kann Dir gar nicht sagen, was mich da alles bewegt hat, als sie mir das so vollkommen pragmatisch erzählt hat.

Liebe Oma, ich sage Dir – hatte ich ’ne Angst und geschlafen habe ich nicht in dieser Nacht. Ganz und gar nicht!

Am nächsten Tag war ich dann zumindest mit den Kindern nicht mehr allein zu Hause, da Alex von seiner Dienstreise zurückkam. Im gesamten Tagesverlauf stieg das Wasser in der Elbe kontinuierlich weiter, da der Wind nicht nachließ. War ehrlich gesagt auch mehr als Wind.

Gegen Mittag war der Wasserstand bereits auf halber Höhe des Deiches. Letztendlich haben wir dann in der kommenden Nacht alle zusammen im Wohnzimmer geschlafen und ich habe wirklich eine Reisetasche gepackt und diese aber schon vorsorglich ins Auto gestellt. In der Nacht stieg das Wasser weiter und Kollmar selbst entging tatsächlich nur knapp einen Deichbruch. Hier hatte Treibholz den Deich ernsthaft geschädigt und die Feuerwehr stapelte die ganze Nacht Sandsäcke und treibe Pfähle zur Befestigung in den Deich. Kannst Du Dir das vorstellen?

Am Morgen konnten wir durch die Fenster die Gischt der Elbe über den Deich spritzen sehen. Ich sage Dir, das war Ehrfurcht. Wohlig war mir dabei nicht!

Anbei findest Du ein paar Bilder. Dann kannst Du Dir das alles ein bisschen besser vorstellen.

Übrigens habe ich mir jetzt auch eine Packliste für den Notfall geschrieben, für den Fall der Fälle und die nächste kommende Sturmsaison. Dabei kam ich mir schon ein bisschen vor, als ob ich mit meinen Lieben zu einem Survivalcamp aufbreche.

Falls Dich das interessiert, kannst Du hier einmal unseren Newsletter bestellen und bekommst nach der Bestätigung deiner E-Mail-Adresse einen Link zum Download der Packliste:

Außerdem hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) einen Ratgeber samt Checkliste für die private Notfallvorsorge veröffentlicht. Das ist ja nicht allein im Falle einer Sturmflut sinnvoll, diese Dinge “im Haus” zu haben, sondern kann ja auch schon im jetzigen Pandemiegeschehen von Vorteil sein. Ich hoffe nur, dass jetzt nicht wieder alle Toilettenpapier einkaufen 😉

Liebe Oma, pass auf Dich auf und bleib gesund!

Ganz viele Grüße vom Deich

Deine Simone

 

Foto von Ilona Froehlich auf Unsplash